Bronze bei der Schach-EM der Gehörlosen in Trogir für Deutschland

Die deutsche Mannschaft gewann eine Bronzemedaille bei den 2. Gehörlosen-Europameisterschaften im Schach.

In der Zeit vom 5.4. bis 13.4.2025 fand im Hotel Medena in Seget Donji bei Trogir an der Dalmatinischen Küste in Kroatien die 2. Gehörlosen-Europameisterschaft im Schach statt. Es wurde an jeweils vier Brettern gespielt, maximal sechs Spieler pro Mannschaft durften gemeldet werden. Die deutsche Auswahl bestand, in dieser Reihenfolge, aus Mohammed Reza Ghadimi (Kieler SV, GSBV Halle/Saale), Artur Kevorkov (Lübecker SV, GSBV Halle/Saale), Sergey Salov (Lübecker SV, GSBV Halle/Saale), Christian Opitz (SK Radolfzell, GSBV Halle/Saale) und Dr. Wolfgang Kössler (Mattnetz Berlin, Dresdner GSV 1920 e.V. (im Bild oben ganz links)). Betreuer war Holger Mende (GSBV Halle/Saale).

Ich flog am 5.4.25 von Berlin aus über Wien nach Split. Diesmal hat die Anreise gut geklappt. Die anderen deutschen Spieler waren schon einen Tag früher angereist. Die am 5.4.25 angereisten Sportler wurden von den Gastgebern vom Flughafen abgeholt. Ich kam gemeinsam mit den Polen an. Am Abend diskutierten wir über die Mannschaftsaufstellung, d. h., über die Reihenfolge der Spieler. Früher hatten wir diese nach taktischen Gesichtspunkten vorgenommen, sodass unsere Aufstellung für die Gegner schwerer vorherzusehen war. Unser Spielertrainer-Kapitän Sergey Salov war jedoch anderer Meinung und setzte sich schließlich durch. Im Nachhinein müssen wir zugeben, er hatte recht. Die ersten drei Bretter spielten, bis auf eine Ausnahme, jede Runde, ich wechselte mich mit Christian am vierten Brett ab.

Es waren bei den Männern ursprünglich elf Mannschaften gemeldet. Die angereisten Schweden hatten aufgrund von Verständnisproblemen die Turnierregeln nicht einhalten können und mussten aus dem Turnier ausgeschlossen werden. In der Reihenfolge der Setzliste blieben Deutschland, Kroatien, Serbien, Polen, Ukraine, Ungarn, Bosnien-Herzegovina, Schweiz, England und Slowenien, wobei die sechs erstgenannten Mannschaften nominell fast gleichwertig waren. Laut Ausschreibung waren sieben Runden Schweizer System vorgesehen. Kurzerhand wurde der Turnierablauf geändert, Rundenturnier jeder gegen jeden, also neun Runden. Das hatte insbesondere zur Folge, dass der Ruhetag, für den ein Ausflug geplant war, gestrichen wurde. Die Bedenkzeit wurde nicht geändert, 90 Minuten plus 30 Sekunden für jeden Zug für die gesamte Partie.

Am Sonntag, 6.4.25, fand am Vormittag die Eröffnungsfeier statt mit den üblichen Eröffnungsreden, natürlich mit Gebärdensprachdolmetscher. Ein schöner Auftritt einer kroatischen Tanzgruppe folgte. Am Nachmittag gab es schon die erste Runde, wir spielten gegen die Schweiz 3,5 : 0,5. Lediglich Mohammed Reza spielte am ersten Brett gegen den starken Schweizer Halit Rexhepi remis. Heute spielte Christian. Damit ergab sich für mich die Gelegenheit nach Split zu fahren. Ich lief 5 km zur Busstation, um dann dort doch ein Taxi zu nehmen. Hauptattraktion in Split ist der Diokletianspalast mit Kirche, Glockenturm und Kaisergemächern. Ich bin dann noch ein wenig durch die Altstadt gebummelt und nahm den Weg zum Marjan-Hügel in Angriff. Am Sonntag ist der öffentliche Nahverkehr knapp und so kehrte ich rechtzeitig um, um noch den letzten(?) Bus um 17:15 Uhr nach Trogir zu bekommen.

Am Montag, 7.4.25, spielte ich am Vormittag, wir gewannen gegen England 4 : 0. Am Nachmittag war dann wieder Christian dran und meine Mannschaftskameraden gewannen 3,5 : 0,5 überraschend hoch gegen den Mitfavoriten Serbien! Ich bin inzwischen auf den 444 m hohen Vlaska-Hügel gestiegen. Die Aussichten sind schön, die Wege jedoch in sehr schlechtem Zustand, grober Schotter.

Am Dienstag-Vormittag sollte ich wieder spielen, gegen die Ukraine. Ich bereitete mich auf meinen Gegner, Oleksii Filippskikh, vor. Am Morgen stellten wir jedoch fest, dass ich gar nicht aufgestellt war, sondern Christian. Wie sich herausstellte, passierte unserem Kapitän ein kleines Malheur, er vergas am Vortag die Aufstellung beim Schiedsgericht abzugeben. Wenn keine neue Aufstellung abgegeben wird, dann gilt die alte. Christian war auch nicht erfreut, er hatte sich auf einen ruhigen Vormittag eingestellt. Wir verloren dann gegen die Ukraine 1,5 : 2,5. Die Punkte holten Artur (1) und Mohammed Reza (0,5). Der älteste Spieler des Turniers, Sergey Salov (85 Jahre), verlor gegen einen der drei jüngsten Spieler (alle drei Jahrgang 2009), den ukrainischen Jungstar Georgii Metreveli, der am Ende sagenhafte acht Punkte aus neun Partien holte und auch die Brettwertung am dritten Brett gewann. Ich bin inzwischen auf der Trogir vorgelagerten Insel Ciovo wandern gegangen. Am Nachmittag fand dann das Blitzturnier statt, an dem nur acht Mannschaften teilnahmen. Bedenkzeit war, wie mittlerweile üblich, drei Minuten plus zwei Sekunden pro Zug. Ich spielte alle sieben Runden, gewann dreimal, verlor viermal. Ich bin offenbar zu langsam. Serbien gewann das Turnier souverän. Unsere Mannschaft belegte den fünften Platz.

Am Mittwoch spielte ich dann beide Partien am vierten Brett. Am Vormittag spielten wir gegen Ungarn 2,5 : 1,5, Mohammed Reza gewann, die anderen spielten remis. Am Nachmittag verloren wir jedoch gegen Polen 1,5 : 2,5. Diesmal verlor Mohammed Reza, die anderen spielten remis. Mohammed Reza hatte hier aber den stärksten Spieler des Turniers, Pawel Piekielny, der 7,5 Punkte am ersten Brett holte, als Gegner.

Am Donnerstag fand das Schnellschachturnier statt. Bedenkzeit war 10 Minuten plus 5 Sekunden für jeden Zug. An diesem Turnier nahmen neun Mannschaften teil. Ich spielte am Vormittag, Christian am Nachmittag, jeder vier Runden. Ich schaffte jedoch nur einen Sieg und drei Niederlagen. Unsere Mannschaft belegte wieder den fünften Platz. Dies war der dritte fünfte Platz nacheinander, in Erzurum waren wir ja auch schon fünfte geworden. Das Turnier gewann die Ukraine.

Am Freitag ging es mit dem Standardturnier weiter. Es standen die siebte und achte Runde auf dem Programm. Nach sechs Runden lagen wir mit vier Siegen und zwei Niederlagen auf dem dritten Platz. Uns waren jedoch Serbien, Ungarn und Kroatien dicht auf den Fersen. Bei einer etwaigen Niederlage gegen Kroatien in der siebten Runde war ein Gleichstand aller vier Mannschaften (Deutschland, Kroatien, Serbien, Ungarn) zu erwarten. Uns hätte ein 2 : 2 gereicht, um den dritten Platz zu festigen, Kroatien jedoch musste gewinnen, um im Medaillenrennen zu bleiben. Am Abend haben wir überlegt, ob Christian oder ob ich, vermutlich gegen Toni Vujcic (mit Weiß), spiele. Christian fühlte sich gut, und so spielte er, hatte aber einen schweren Stand. Das wäre mir vermutlich genauso gegangen. Mohammed Reza gewann gegen den IM Branko Vujakovic und so stand es nach dreieinhalb Stunden 1,5 : 1,5. Arturs Gegner Bogdan Bozinovic kämpfte in einer unklaren Stellung (Läufer und zwei Bauern gegen Turm) verbissen um den Sieg, lies sich aber matt setzen. Siehe dazu die Partie unten. Damit hatten wir gegen Kroatien gewonnen. Da wir noch zwei etwas leichtere Gegner hatten, waren wir dicht am dritten Platz. Wir wollten den Gegner am Nachmittag, Bosnien-Herzegowina, jedoch nicht unterschätzen. So spielte Mohammed Reza doch, der sich eigentlich auf eine Ruhepause eingestellt hatte und er gewann seine Partie. Alle anderen spielten remis. Jetzt war der dritte Platz gesichert. Nach vorne war auch nichts mehr drin, da die vor uns auf dem zweiten Platz liegende Ukraine gegen Serbien ein 2 : 2 vereinbarte.

Mohammed Reza spielte mit sechs Punkten aus acht Partien am ersten Brett ein hervorragendes Turnier, er hatte 25 ELO-Punkte hinzu bekommen. Da hatte er sich den freien Sonnabend redlich verdient und er konnte aussetzen. Gegen Slowenien in der neunten Runde spielten wir beide, Christian und ich, und gewannen, wie auch Sergey. Artur jedoch, diesmal am ersten Brett, verlor gegen den zweitbesten Spieler des Turniers, den anderen 16-jährigen Jungstar, Bruno Glas. Bei Artur war nach dem sehr anstrengenden Turnier und dem gesicherten dritten Platz etwas die Luft raus. Artur spielte jedoch auch ein sehr starkes Turnier, er gewann die Brettwertung am zweiten Brett.

Das Turnier gewann Polen vor der Ukraine und Deutschland. Mit der Bronzemedaille können wir sehr zufrieden sein. Die Siegerehrung am Sonnabend-Abend war stimmungsvoll, mit Flaggenhissung und Nationalhymne. Anschließend gab es noch ein Bankett.

Natürlich gab es auch ein Frauenturnier an jeweils zwei Brettern. Maximal vier Spielerinnen konnten gemeldet werden. Eine deutsche Mannschaft konnte nicht teilnehmen, da wir nur eine einzige, allerdings sehr starke gehörlose Spielerin (Annegret von Erichsen) in Deutschland haben. Das Standardturnier gewann die Ukraine, das Schnellschachturnier Ungarn und das Blitzturnier die beiden lettischen Schwestern Margarita und Anastasia Parhomenko.

Wenn man alle sechs Turniere zusammen nimmt, dann war die Ukraine die erfolgreichste Mannschaft mit zwei ersten und vier zweiten Plätzen. Sie waren mit 13 Teilnehmern (sechs Männer, vier Frauen und drei Betreuer) auch die zahlenmäßig stärkste Mannschaft.

Die Organisation des Turniers war, ähnlich wie in Belgrad 2023 (Behinderten-WM), und ganz im Gegensatz zu Erzurum 2024 (Deaflympics), hervorragend. Der Spielsaal war geräumig, genug Platz für die Schachbretter, die eine elektronische Aufzeichnung ermöglichten. Insgesamt vier Schiedsrichter und reichlich technisches Personal sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Im Analysesaal konnte ein großer Teil der Partien live verfolgt werden.

Am Sonntag flogen Artur und Sergey wie auch die anderen Mannschaften nach Hause. Wegen ungünstiger Flugzeiten am Sonntag blieben wir anderen noch einen Tag länger und konnten so den fehlenden Ausflug nachholen. Wir fuhren mit einer Reisegruppe in den Krka-Nationalpark zu den berühmten Wasserfällen. Diese sind zwar nicht mit den Iguacu-Fällen in Argentinien/Brasilien zu vergleichen, aber auch sehr schön. Christian fand den Rheinfall schöner, dem kann ich nicht zustimmen. Eine kleine Bootsfahrt führte uns zu dem netten Städtchen Skardin. Von hier aus wollte ich noch zwei Aussichtspunkte aufsuchen, die meine, wie ich feststellen musste, veraltete Wanderkarte anzeigte. Jedoch waren die Bäume mittlerweile so hoch gewachsen, dass am ersten Punkt gar nichts zu sehen war. Beim zweiten Punkt konnte ich mich durch die dichten Bäume auf den Felsen zwängen und die Aussicht auf den Krka-Fluss genießen.

Hier ist die entscheidende Partie zwischen Artur und Bogdan Bozinovic:

Dr. Wolfgang Kössler (Dresdner GSV 1920, Abteilung Schach)